Anfang Mai waren wir zu Besuch beim offenen Pizza-Sonntag vom Schwarzgestein e.V. Die Gruppe aus derzeit 10 Personen möchte nicht nur gemeinschaftlich Wohnen, sondern sich auch aktiv in das Dorfleben einbringen. Zschortau in der Gemeinde Rackwitz liegt knapp 12km nördlich von Leipzig und ist mit seinen ca. 1.5000 Einwohnenden ein überschaubares Dorf, wo vor allem gewohnt wird und sonst nicht viel passiert. Hier hat Ende 2019 die Initiativgruppe den Kaufvertrag für ein altes Wohnhaus (Baujahr ca. 1900) mit großzügigem Grundstück und Nebengebäuden unterschrieben.
Seit April 2021 sind vier autarke Wohneinheiten entstanden plus ein Gästezimmer mit Bad. Der Garten wird gemeinschaftlich und für offene Veranstaltungen genutzt. Das Projekt finanziert sich über einen Bankkredit, Direktkredite und Schenkungen. Die Unternehmensstruktur als Verein schließt privates Eigentum aus, damit wird das Haus dem Kapitalmarkt entzogen. Es gibt immer noch genug zu tun und das Projekt möchte weiter wachsen, weswegen zu regelmäßigen Baueinsätzen und Kennenlerntreffen eingeladen wird.
Wir sprachen mit zwei Bewohner:innen des Projekts, wie es ist auf dem Dorf zu leben und sich im Projekt und der neuen Nachbarschaft zu engagieren.
Antonia verfolgt das Projekt von Anfang an mit und wurde nach dem Kauf von einer Freundin eingeladen, Teil von Schwarzgestein zu werden. Sie hat ihre Wohnung selbst geplant und ausgebaut und fühlt sich sehr wohl in der kleinen Gemeinschaft, obwohl sie nie vor hatte in einem Wohnprojekt zu leben. Sie pendelt nach Leipzig um zu arbeiten.
Sebastian ist selbst in einem Dorf aufgewachsen und wollte mit seiner Familie schon länger raus aus Leipzig in ein Wohnprojekt ziehen. Seit Februar 2024 lebt er mit seiner Familie mit in Zschortau und kann jetzt mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren.
Was findet ihr an eurem Projekt besonders?
Antonia: Das besondere für mich ist – und das klingt so banal, weil es sich in einem Wort abbilden lässt – die Gemeinschaft. Gemeinschaftlich etwas zu erschaffen und in der Gemeinschaft zu leben, ist ein schönes Gefühl. Selbst wenn ich das anfangs gar nicht so dachte. Auch mit der Nachbarschaft im Kontakt zu sein und sie zu uns einzuladen – zum Beispiel wie heute zu unserer Pizza Session. Ich bin stolz, dass beispielsweise die ca. 80jährige Nachbarin von schräg gegenüber sagt: Sie wohnt ihr ganzes Leben schon hier und so was hat es noch nie gegeben.
Sebastian: Dass es ein Projekt ist, was noch im Wachsen ist – wo es aber schon eine gute Basis gibt. Hier ist baulich schon viel passiert und gleichzeitig kann man sich immer noch einbringen. Wir wollen ein Mehrgenerationen-Wohnprojekt sein – momentan sind wir aber nur zwei Generationen – da kann also noch was passieren. Gemeinsam weiter zu überlegen und vielleicht auch noch das ein oder andere Bauprojekt anzugehen, das finde ich gerade super spannend. Und es funktioniert auch wunderbar in der Gruppe. Wir haben eine gute Gruppengröße: sechs Erwachsene, vier Kinder (und ein Hund) – da bekommen wir einiges gestemmt. Und haben auch ein Netzwerk, was langsam mehr und mehr in die Region wächst. Wo über Veranstaltungen nachgedacht wird und die Idee, den Garten und das Projekt zu öffnen für Leute, die was machen wollen. Das macht Spaß, das gemeinschaftlich weiter zu gestalten.
Gerade ist bei euch offene Pizza-Session und es wirkt so, als ob ihr auch schon einiges erreicht habt mit der Öffnung in die Nachbarschaft und ins Dorf. Wie erlebt ihr das?
Sebastian: Ja, das ist so ein schöner Mix. Bei den Pizza-Sessions kommen zum einen Leute aus dem Bekanntenkreis, aus Leipzig, einige kommen aus dem näheren und weiteren Umland und natürlich die unmittelbare Nachbarschaft. Das ist gut, um in Kontakt zu kommen. Die Mauern vor den Grundstücken in Nordsachsen sind ja bei manchen doch recht hoch und da zu sagen: Hey, wir sind offen, wie freuen uns, wenn Leute kommen und gemeinsam hier was vor Ort machen und ins Gespräch kommen. Zschortau ist super angebunden an Leipzig und es ziehen immer mehr Leute von da raus. Das Zusammenwachsen von Menschen, die schon lange hier leben und diejenigen die neu dazu kommen, das ist sehr spannend.
Antonia: Ein bisschen Glück haben wir, dass wir hier nur zwei Straßen auf der Seite von den Bahngleisen haben und das Hauptdorf auf der anderen Seite liegt. So konnten wir uns darauf konzentrieren, mit jedem unmittelbaren Nachbarn mal ins Gespräch zu kommen. Wir haben in den ersten zwei Jahren zu Ostern und zu Weihnachten Süßigkeiten in der Nachbarschaft verteilt und haben uns damit vorgestellt. Seit dem letzten Jahr sind wir beim Dorf-Flohmarkt mit dabei, was ein kleines Happening für Zschortau ist. Man muss schon sehr geduldig sein, dass man akzeptiert wird. Und im Zweifelsfall ist man auch nach 5, 10 oder 20 Jahren immer noch die Zugezogene. Da ist es schon gut, immer wieder Zeit und Aufmerksamkeit in die Nachbarschaft und Dorfgemeinschaft zu investieren.
Was könnt ihr an andere Gruppen weitergeben, wie man so ein Projekt auf dem Land aufzieht?
Antonia: Also eine komplette Grundsanierung von einem Haus ist für eine Gruppe eine unglaublich große Prüfung und wir sind uns immer bewusst gewesen, dass wir uns auch um unsere Beziehungen kümmern müssen. Das ist ein unglaubliches Spannungsfeld: dass sich Menschen auf der einen Seite gut informiert und abgeholt fühlen – gleichzeitig steht auf der anderen Seite das nächste Gewerk vor der Tür und will eine schnelle Entscheidung haben. Wir sind stolz darauf, dass wir eine gute Struktur für uns gefunden haben zwischen Plenieren und dem Sozialen. Wir versuchen mehr als nur unsere Organisation aufrecht zu erhalten, indem wir uns auch um die Beziehungsebene sehr stark kümmern. Wir sind aktuell eine Gruppe, die gut funktioniert und wir verstehen uns gut. Das ist wichtig. Und im ländlichen Raum gilt es auch in Beziehung zu investieren, die über die eigene Hausgrenzen hinausgehen.
Sebastian: Ja, Offenheit und Vernetzen, auf jeden Fall. Mit Offenheit da sein und sich einbringen in die Dorfgemeinschaft. Gespräche suchen mit der direkte Nachbarschaft – und aber auch mit anderen Initiativen. Einfach um die Bilder zu entzaubern, die da vielleicht in den Köpfen sind. Ein Miteinander zu schaffen ist total wichtig für die Akzeptanz. Sich Verbündete suchen und offen sein, sich auf den Ort und die Menschen einzulassen, das hilft auf jeden Fall, um anzukommen.
Wir danken für das tolle Gespräch. Kurze Auszüge davon und weitere bildliche Eindrücke könnt ihr euch auch in unserem Video anschauen.